Ribbecks publizistische Geburt in der Weltöffentlichkeit
Eine Verwandte der Ribbecks, ein Fräulein von Witzleben griff aus Anlass der Feier zur 500jährigen Besitzurkunde der Ribbecks 1875 auf die Sage vom freundlichen Herrn, der Birnen verteilte, und sich mit einer Birne begraben ließ zurück. Zunächst hatte ein Lehrer die Sage aufgenommen und schrieb sie nieder. Sie setzte den schriftlich fixierten Erzählstoff in Reime und Verse, deren Ursprungsversion nicht mehr bekannt ist. Mit ihren Versen von Ribbeck in der an der Kirche ein alter Birnbaum steht bereitete sie die Legende schriftlich Fontane zu. Dieser erhielt vom Stoff in der Potsdamer Straße in Berlin Kenntnis, und schrieb sie 1889 in der heutigen Form auf.
Fontane ging also eben nicht plastisch in der Mark Wandern, vielleicht war er sogar niemals in Ribbeck. Für Legenden ist das aber nicht von Belang. Entscheidend ist: die Kernstadt Nauen war mal nicht vorne, sondern stand nur am Rande des Geschehens. Was daraus literarisch entstand, hat bis heute Weltgeltung in der Literatur behalten. Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland gehört laut Dirk Ippen zu den hundert Gedichten, die im 20. Jahrhundert am häufigsten in deutschsprachigen Anthologien publiziert wurden. Marcel Reich-Ranicki nahm die Ballade in seinen Kanon der deutschen Literatur auf. Auch in den Schulunterricht fand das Gedicht Eingang und seine Behandlung ist in vielen Lehrplänen bis heute vorgesehen, so dass es in Deutschland zu den bekanntesten Gedichten gehört.
In der Realität blieb von der gutsherrlichen Freundlichkeit allerdings nichts über. Gutsherrschaft war auch in Ribbeck ein rechtsfreier Raum, in der bäuerliche Hörigkeit und autoritär vermittelter Untertanengeist vorherrschte. Romantik und Wahrheit sind zwei verschiedene Dinge.
Es gab übrigens eine Fortsetzung 1991: Die Birnen von Ribbeck: Gegen Ende des sprachlich zunehmend schwankenden Vortrags steht eine groteske Vision, in der Ribbeck die Birne vermarktet („so spendet Segen noch immer Fontane“, „ganz Ribbeck lebt von der Birne“) und zum Fontane-Wallfahrtsort wird: „mit Autos und Omnibussen und Schiffen ins Fischerdorf, an die Anlegestelle im Seehafen Ribbeck, aus dem Luch wird wieder ein See, ein Ozean, Kreuzfahrtdampfer legen an und Hunderte Passagiere schlendern durchs Dorf, um den Birnbaum blühen zu sehen […] und dann wieder rauf auf die Titanic“.
Die kurze Erkenntnis: man sollte die Birne, äh, Kirche im Dorf stehen lassen. Dort steht sie richtig. Welt ist Welt, Großmannssucht ist zuviel für einen einfachen Birnenbaum.
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Autor: Norbert Freyer, 2020