Was wirklich geschah

Ab 1943 nutzte IG Farben (u.a. Erfinder von Zyklon B) das heutige Schlossareal Ribbecks für Versuche mit chemischen Waffen und Blendgranaten. Diese sollten als Nebelgranaten den Himmel von Berlin verdecken, um so den anfliegenden alliierten Bomberpulks die Zielsicht zu nehmen. IG Farben folgte die Luftwaffe, die dort alliierte Funksprüche abhörten um den Anflug von alliierten Bombern auf Berlin frühzeitig zu erkennen und melden zu können. Etwa 200 Nachrichtenhelferinnen arbeiteten zu der Zeit dort. Ribbeck befand sich genau über der Einflug- und Rückflugschneise der Bomber. Als Abwehrstrategie gehörten Attrappen aus Sperrholz und Pappe dazu, die Gebäude, Häuser und Kirchen Berlins nachahmten. Diese wurden auf den Feldern Ribbecks am Wald errichtet. Auch ein Funkturm und Reichstag wurden nachgestellt. Bei Einflug von Bomberpulks bei Nacht wurden diese dann auch beleuchtet, es wurden Autos fahren gelassen, Lautsprecher dröhnten Straßenbahngeräusche nach. 

Dem Herr von Ribbeck, der schließlich ins KZ kam, wurde die Bordcrew eines alliierten Bombers, der 1944 über Ribbeck abgeschossen wurde oder dort wegen Motorschadens niederging, zum Verhängnis. Er redete zu leutselig mit der Mannschaft und wurde dabei von einer Frau beobachtet, deren Mann bei der Gestapo arbeitete. Sie bestechen, damit sie den Mund hält, wollte er nicht. Inoffiziell hatte er sie aber angeschrien, weil sie und andere Luftwaffensoldaten das Korn auf seinem Feld, auf dem der Bomber niederging, rücksichtslos niedertrampelten. Dazu schlug er sie mit einer Peitsche (was er im Regelfall mit allen seinen Untergebenen machte). Es traf die falsche Person, er endete bei Verhören in Nauen und dann in Potsdam und verstärkte durch Halsstarrigkeit seine Problemlage. Im KZ Sachsenhausen wurde er dann getötet.

Im Mai 1945 kam es dann noch zu einem Massaker. Etwa hundert deutsche Wehrmachtsoldaten wollten sich ergeben. Zu früh. Die SS war in der Gegend, erfuhr davon, rückte gegen die Einheit vor, kesselte sie ein, sperrte sie in Lastwagen, übergossen die LKWs mit Benzin und zündeten sie an. Dorfbewohner Ribbecks mussten Tage später die verkohlten Leichen bergen und die sterblichen Reste in ein Loch auf dem Ribbecker Friedhof kippen. Solche und noch drastischere Ereignisse vollzogen sich eigentlich überall im Havelland. Dazu kamen Gruppenvergewaltigungen durch Rotarmisten auch Wochen nach Kriegsende. Männliche Dorfbewohner trauten sich erst nach und nach sich darüber bei den sowjetischen Einheitskommandeuren zu beschweren. Umgedreht wurden flüchtige Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter auch in Ribbeck umgebracht und deren Leichen zur Abschreckung längere Zeit zur Schau gestellt. Die komplette Zeitperiode von 1933 bis 1949 war eine völlige Abkehr von zivilisatorischen Standards, solche Einzelfallschilderungen nur Beispiele in einem System der Unmenschlichkeit, nicht in anderen Ländern sondern hier vor Ort.

Literatur

  • Friedrich Christian Delius: Die Birnen von Ribbeck, Erzählung, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 4. Auflage 2019, Erstveröffentlicht 1991

Autor: Norbert Freyer, 2020

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