Frühere gesellschaftliche Strukturen und ihr Fortwirken bis heute

Neben der Berliner Residenzlandschaft, die sich ab dem 17. Jahrhundert in immer deutlicheren Formen auch in das Berliner Umland, zu dem das Nauener Land gerade noch gehört, erstreckte, entstanden auch repräsentative adelige Wohnsitze. Ebenso imitierten Großbürgerliche vermögende Kreise Berlins ab dem 19. Jahrhundert adelige Lebensweisen auf dem Land und erwarben oder pachteten Güter, auf denen sie als bürgerliche Gutsherren lebten.

Als prominentes Beispiel einer solchen Biografie ist Dr. Arthur Schurig, Pionier der Agrarindustrie in Deutschland und Müllionär, wie er von den Einwohnern genannt wurde. Mit landwirtschaftlicher Müllverwertung leitete er seit 1913 einen Meliorationsversuch in Röthehof. Er düngte mit sortiertem Berliner Müll die Felder und steigerte damit die Erträge. Ab 1917 pachtete er die Rittergüter Markee, Markau und Schwanebeck, um dort den Versuch weiterzuführen. Seine Bemühungen in der Pflanzenzüchtung waren besonders bei Rüben und Kohl erfolgreich. Eine noch heute gehandelte Wirsingkohlsorte, der Grüne von Markee, hat hier ihren Ursprung. Übrigens wurde in Markee 1924 durch Herrn Dr. Schurig der erste Mähdrescher Deutschlands eingesetzt. Man holte ihn damals aus Amerika. 

Verdrängte lokale Geschichte und ihre regionalen Bezüge zu Berlin

Seit Theodor Fontane erfreuen sich die Schlösser und Herrenhäuser des märkischen Adels einer bis heute ungebrochenen Aufmerksamkeit. Die Herrensitze des Adels hielten sich im kollektiven Gedächtnis fest. Oft über Jahrhunderte haben Adelsfamilien das Bild ihrer Umgebung geprägt. Außerdem waren sie im Alltag des ländlichen Lebens präsent. Ihre ländlichen Domizile wurden über mehrere Generationen innerhalb der gleichen Familie genutzt.

Als die Existenz privater Landsitze im Jahr 1945 ein abruptes Ende fand, begann auch ihr Bild im öffentlichen Bewusstsein rasch zu verblassen. In den folgenden Jahrzehnten war eine Beschäftigung mit diesem Teil der Vergangenheit wenig gefragt. Diese Feststellung gilt für die verschiedenen Formen lokaler und regionaler märkischer Geschichtsschreibung. Der Ost-West Konflikt, die Umwälzungen nach 1945 führten zu kompletten Nivellierungen tradierter Kulturformen im ländlichen Raum. Adel und Großbürgertum wurden auch im Nauener Raum vollständig verdrängt. Danach galt eine Beschäftigung mit deren Kulturerbe als tabu. Adel war Klassenfeind. Auch im abgeschotteten Westberlin, taten die verbliebenen Reste der alten Berliner Eliten so, als hätte es keine Verbindungen zur Landkultur Ostelbiens, zu der Nauen gehört, gegeben. Ein so sensibler Beobachter wie der australische Historiker Christopher Clarke registrierte, dass Westberlin besonders in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts bemüht war, seine preußisch-ostelbische Vergangenheit so schnell und so gründlich wie möglich zu vergessen.

Womöglich noch zaghafter als in Berlin begann man im märkischen Land selbst, sich der  Landsitze des ehemals davongejagten Klassenfeindes zu erinnern. Neben den adeligen Wohnsitzen finden sich auch Großbürgerliche Residenzen, die ebenso bis 1989 politisch ungewollt waren.

Was danach, nach 1989 einsetzte waren wiederum gesellschaftspolitische Rollbackverfahren, in der alte Strukturen Erneuerung fanden und die Bestehenden wiederum ausgewechselt wurden.

Literatur

Autor: Norbert Freyer, 2020

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